Kapitel 3

Charakterklassen

Inhalt

Die hier vorgestellten Klassen sind von den Spielwerten her nicht unbedingt ausgewogen, weshalb nicht jeder die gleichen Startvoraussetzungen hat. Sie sind bewusst unterschiedlich gehalten, um die Eigenheiten der jeweiligen Lebenswege und Herkünfte abzubilden. Nichts im Leben ist gerecht. Jeder Spielleiter kann mit den Spielern natürlich andere Vorgaben besprechen. Will man die Spielgruppe nicht diesen Ungleichheiten aussetzen, kann man bestimmen, das z.B. jeder Charakter vier Punkte für Fertigkeiten ausgeben darf, die dann frei gewählt werden können. Genau auf diese Weise können auch ganz frei neue Klassen geschaffen werden, die hier nicht abgebildet sind.
Zu beachten ist auch, dass beispielsweise Seelenkrieger oder Paladine der Bruderschaft nicht sehr häufig anzutreffen sind, weshalb eine Gruppe von ihnen eher unwahrscheinlich und ohnehin viel zu mächtig wäre, als dass das Spielen noch eine Herausforderung darstellen könnte.

Je nach Startsituation verfügen die Charaktere noch über eine typische Grundausstattung an Ausrüstung. Spezielle Gegenstände sind bei den Klassenbeschreibungen vermerkt.

Zusätzlich zur Klasse ist noch, je nach gewünschtem Hintergrund, die entsprechende Volkszugehörigkeit auszuwählen, die Optionen dafür finden sich unter „Bewohner & Kreaturen“. Desweiteren natürlich Geschlecht, Alter, Äußeres, Persönlichkeit, Heimatdorf, Lieblingstier, ihr kennt das.
Die Schilderungen bei den Archetypen sind jeweils als Anregung zu verstehen, die eigene Figur zu entwickeln.

Handwerker

Der Handwerker verfügt über die Fertigkeit Handwerk (GE) in seiner Disziplin auf Stufe 2.

Ausrüstung: Werkzeug (entsprechend der Disziplin), Bierkrug, 10 Goldmünzen (in einem guten Versteck in der Kleidung)

Ein tüchtiger, netter Kerl, der immer dort mit anpackt, wo Hilfe benötigt wird. So sagt man von dir. Deine Werkstatt ist dein Zuhause, nicht nur im übertragenen Sinn. Du kannst dich nicht erinnern, wann deine schwieligen Hände zuletzt richtig sauber waren. Aber du liebst es, Dinge zu erschaffen, Menschen das Leben zu erleichtern. Ein netter Kerl, aber irgendwas blitzt da in deinen Augen, das da nicht hingehört. Ist es Abenteuerlust? Gibt es da doch den Wunsch, den Staub der Werkstatt abzuschütteln und mehr von der Welt zu sehen als tagein, tagaus nur diese Straße?

Jäger

Fertigkeiten: Fernkampf (Stufe 2), Heimlichkeit (Stufe 2), Handwerk (Stufe 1)

Ausrüstung: Bogen (2W6+1 Schaden), mehrere Felle, Material zur Fallenherstellung

Das Handwerk des Jägers hat wahrscheinlich etwas mit seinem Beruf zu tun, er wird Kürschner sein. Oder Metzger.


Ich bin Zi und lebe im Farnwald. Und das meine ich genau so, wie ich es sage. Nicht in einem Dorf, irgendwo am Rand, mit einer Mühle, einem Bach und einem Gemeinschaftshaus. Meine Welt erstreckt sich inmitten der Bäume, ich ziehe mit den Hirschen und singe mit den Vögeln um die Wette. Warum ich einst diese Einsamkeit gesucht habe, ist längst in Vergessenheit geraten. Ich weiß nur, dass ich an diesen Ort gehöre und nirgendwo sonst hin. Die Gassen der Städte machen mich nervös, die vielen Menschen, furchtbar. Lieber sitze ich im Gras und genieße einen Sonnenstrahl, der mein Gesicht kitzelt. Aber es gehört auch zu meinem Leben, zu jagen und zu töten. Die Tiere wissen Begriffe wie Ehre oder Stolz nicht zu schätzen, da wäre jedes Zeremoniell unangebracht. Aber sie wissen, was Angst und was Schmerz ist. Deshalb töte ich schnell und überraschend, um ihnen das Leid zu ersparen, das ein ungeschickter Jäger über sie bringen würde.

Bauer

Fertigkeiten: Handwerk (Stufe 2), Feilschen (Stufe 1)

Ausrüstung: Werkzeug, Bierkrug

Ich bin Brohm. Ich lebe am Rand des Wachsenden Waldes. Zumindest, bis mein Dorf verloren sein wird, was nur eine Frage von Monaten sein kann. Früher war das Bestellen der Felder und Hüten der Tiere eine zwar anstrengende, aber friedliche Tätigkeit. Elende Schufterei, ehrlich gesagt. Aber jetzt kommen immer wieder die Tiere aus den Wäldern auf ihren Streifzügen hier vorbei, unheimliche Wölfe und Füchse mit pechschwarzem Fell. Und überall wuchern seltsame Pflanzen und Pilze, zerstören unsere Ernte und lassen uns hungern.
Hier leben nur Bauern, sie bereiten sich auf die Flucht vor und werden eine andere Gegend suchen, um wieder Bauern zu sein. Ich will das nicht. Mich fasziniert der Wald, mehr als ich mir eingestehen will. Einige Male schon bin ich tiefer in den Wald gegangen als jeder andere. Tiefer als von den Alten erlaubt ist. Ich habe die Dunkelheit gespürt, die in ihm lauert, das Gift der Pflanzen geahnt, das mich umgab. Es zieht mich immer wieder dorthin. Ich habe geisterhafte Wesen zwischen den Ästen tanzen gesehen, wunderschöne Falter schwebten durch das Sonnenlicht und noch nie gesehene Tiere huschten durch das Unterholz.
Wenn alle gehen, werde ich bleiben. Ich werde den Wald erforschen. Ich habe das Gefühl, dass er mein Leben ist. Und auch mein Tod sein wird. Ich bin bereit.

Verstoßener aus der Unterstadt

Die Eigenschaften des Verstoßenen basieren natürlich darauf, was er im vorherigen Leben gewesen ist. Ob Schankwirt, Wachmann, Dachdecker – diese Fähigkeiten nimmt er mit in die Unterwelt. Deshalb sind die hier angegebenen Fertigkeiten nur als Beispiel zu verstehen.

Fertigkeiten: Handwerk (Stufe 2), Heimlichkeit (Stufe 2), Nahkampf (Stufe 1)

Ausrüstung: Kupferring um den Hals, blaue Kleidung. Egal, was er sonst besitzt: Es stinkt modrig.

Ich bin Orn. Ich arbeite dort, wo keiner von euch hin will. Ich lebe unter der Stadt, unsichtbar. Nah am Wasser, das euch solche Angst macht. Mir bereitet es auch Furcht, doch ich habe keine Wahl. Ich habe falsche Dinge getan, und die Priester haben mir den Kupferkranz geschmiedet, den ich nun trage. Er schnürt meinen Hals ein, manchmal, wenn ich schwer tragen muss. Doch es lässt sich mit ihm leben. Ich habe mich eingerichtet hier unten. Ich bin wach, wenn ihr schlaft. Nur im Licht des Mondes ist es mir gestattet, die Gassen unter dem Himmel zu betreten. Auch dann erkennt ihr mich gleich. An den Narben, die meine Wangen brandmarken. An den blauen Kleidern, die zu tragen meine heilige Pflicht ist. Und natürlich am Kupfer, das meinen Hals umschließt. Ich lebe in Schande, ich bereue und tue alles, um den Göttern gefällig zu sein. Dies ist mein Schicksal.
Leichten Herzens habe ich früher getrunken und gelacht, mich in Ausschweifungen verloren und das Geld meiner wohlhabenden Eltern mit vollen Händen verprasst. So bin ich in die falsche Kreise geraten, habe mich mit Menschen eingelassen, die manche von euch Kultisten nennen würden. Ich habe Dinge gesehen und getan, vor denen ihr euch mit Abscheu abwenden würdet. Ich vermag nicht, darüber zu sprechen, und es ist mir auch nicht gestattet. Doch soviel darf gesagt sein: Ich habe mich dem Wasser zu sehr angenähert, habe von seinen verbotenen Früchten gekostet und, mir treibt es die Schamesröte ins Gesicht, selbst seine Kreaturen habe ich verspeist. So wurde mein Körper vergiftet, meine Seele heimatlos, denn in diesem Leib kann sie nicht gesunden. Es schmerzt mich, so zu sein, und doch versuche ich, dieses Schicksal zu akzeptieren. Schließlich bin ich ganz allein daran schuld.
Zu oft habe ich das Wasser bereits berührt, als dass ich zurückkehren könnte. Es hat begonnen, mich zu verändern. Ich rede nicht vom heiligen Wasser, das von den Priestern geweiht und nutzbar gemacht wurde, nein, ich habe das schmutzige, das unreine, das hässliche Wasser gekostet und mich damit verdorben. Seine Kreaturen sind in mir und wollen hinaus. Sie verändern mich. Häute bilden sich zwischen meinen Fingergliedern, meine Haut wird schuppig, welk und nässend. Mein Tod ist nicht mehr fern, doch ich blicke ihm gelassen entgegen. Oft habe ich überlegt, ob es nicht besser gewesen wäre, zu Riibe in den Schlund gestürzt zu werden. Ich weiß es nicht.
Ich bin bußfertig und tue, was in meiner Macht steht, um reuevoll zu sein.
Lang lebe die Weisheit der Bruderschaft.

Legendensammler

Fertigkeiten: Lesen und Schreiben (Stufe 2), Sprachen (Stufe 1), Flirten (Stufe 1).

Ausrüstung: 1W6 Bücher, Notizpapier, Schreibfeder, Tinte, Instrument, Krug mit Wein, obskurer Gegenstand (der viele Geschichten in sich birgt, z.B. runenbekritzelter Affenschädel, Stein mit Goldader darin, Amulett das im Dunkeln leuchtet)

»Die Legendensammler kamen in den Ort, mit ebenso großem Brimborium, wie es sonst nur die Rekrutierungstrupps der Bruderschaft mitbringen.«

Manche von uns ziehen allein über das Land, andere bilden große Gruppen und tragen ein nie endendes Fest von Ort zu Ort.
Oft werden wir einfach Kartografen genannt, aber eigentlich sind wir viel mehr. Wir bereisen das Land und schreiben darüber. Wir fertigen Karten und Zeichnungen an, hören uns an, was die Einheimischen zu erzählen haben und schreiben es nieder. Unser Ziel ist nicht, schmuckvolle, ledergebundene Bände anzufertigen, die dann in einer der großen Bibliotheken von Myngai verstauben, ohne dass jemals ein Auge die Wunder erblickt, die wir niederschreiben. Unsere Berichte sollen leben, alle sollen davon hören. Denn Wissen ist Macht, und Lügen sind Gift. Deshalb erzählen wir auch, bei jeder Gelegenheit, von unseren Reisen.

Wächter des Weltenbruchs

Fertigkeiten: Nahkampf (Stufe 1), Fernkampf (Stufe 2), Wahrnehmung (Stufe 1)

Ausrüstung: Schwert (2W6+1 Schaden), Bogen (2W6 Schaden), Kristallsplitter zur Geisterortung

Ich bin Anwar, Wächter des Weltenbruchs. Ich kommandiere eine Einheit von fünfzig Soldaten des heiligen Sees. Wir sind an der Mauer stationiert, die das innere Land vor den Kreaturen schützt, die unter dem Weltenbruch leben. Vielleicht habt ihr von ihnen gehört. Geflügelte Monstren, die aus den Urwäldern der tiefen Ebenen aufsteigen und unsere Städte und Dörfer heimsuchen. Insektenmenschen, fliegende Dämonen, Bruchbrut – die Menschen haben viele Namen für sie, obwohl kaum einer jemals welche gesehen hat. Wir wehren sie ab, so gut wir können, aber dennoch stehen wir hier auf verlorenem Posten mitten im Nirgendwo.
Ach, was rede ich: Die meiste Zeit passiert hier überhaupt nichts, Mücken und Hitze sind unsere größten Feinde. Und die Langeweile. Wachsamkeit zu bewahren nach endlosen Wochen der Ereignislosigkeit, das ist ungemein schwer. Doch wenn einer dieser Schatten aufsteigt, müssen wir zur Stelle sein.
Es ist nicht einfach, die Truppe beisammen zu halten. Sie zählen ihre Tage, halten sich bei Laune mit Phantastereien über das, was sie nach Ablauf ihrer Dienstzeit tun werden, wenn sie nach Alaris, Kath oder Kyra zurückkehren. Ich gelte als harter, aber gerechter Truppführer und werde respektiert. Zumindest ist es das, was ich glaube. Bald werde ich meinen fünfzigsten Sommer auf dem Boden der Welt verleben, und eigentlich würde ich aus der Armee entlassen. Aber ich werde nicht gehen. Nein, zu viele Geschichten habe ich schon gehört über Kameraden, die vergeblich versuchten, sich wieder im normalen Leben zurechtzufinden. Geschichten vom Scheitern, vom Trinken, Stehlen und Verzweifeln.
Ein Feld bestellen, eine gemütliche Heimstatt einrichten und Abends am Feuer meine Pfeife stopfen? Eigentlich eine schöne Vorstellung, aber nichts für mich. Ich würde die Männer und Frauen vermissen, denen ich hier Führung biete. Ich will mein Wissen und meine Erfahrung weitergeben an die jungen Kämpfer, die mir hier zugeteilt werden. Schließlich habe ich nicht immer hier in der Einöde Wache gehalten. Als ich jung war wie sie, habe ich Dinge gesehen und Orte besucht, die ich lieber nie zu Gesicht bekommen hätte. Den jungen Männern das Feuer in den Augen auszutreiben, das sie nach Schlachten und Krieg dürsten lässt – das ist meine Mission.

Vogelhändlerin

Fertigkeiten: Feilschen (Stufe 1), Sprachen (Stufe 1), Lesen und Schreiben (Stufe 1)

Ausrüstung: 1W6 Käfige, feste Lederhandschuhe/Armschienen (+1), Federschmuck, Beutel mit Vogelfutter

Vögel, die heiligen Tiere. Du züchtest sie, sorgst dafür, dass ihre Federn glänzen und ihr wundervoller Gesang die Straßen verzaubert. Die kräftigsten unter ihnen trainierst du, bringst ihnen bei, im ehrenvollen Kampf zu siegen. Überall, ob in den Käfigen des Turmviertels von Alaris oder auf einem Dorfplatz am Rand des Farnwaldes, an einen groben Pfahl gebunden. Deine Tiere sind dein Kapital. Vielleicht spielst du auch mit dem Gedanken, sie nicht mehr nur zu verkaufen, sondern selbst als Eigentümer bei den Turnieren anzutreten, schließlich sind deine Vögel die Besten. Und warum sollten immer nur andere die Wettgewinne einstreichen?

Wachsoldat

Für bestandene Abenteuer erhalten die Charaktere Erfahrungspunkte, die der Spieler in die Fähigkeiten investieren kann. Punkte gibt es für

  • besonders gutes Rollenspiel
  • gute Ideen zur Lösung von Herausforderungen
  • besiegte Feinde

In einem einzelnen Abenteuer, das eine oder zwei Spielsitzungen dauert, sind in der Regel etwa 200 – 300 Punkte zu erreichen. Das ermöglicht den Spielern einen spürbaren Fortschritt, verhilft ihnen aber nicht in allzu kurzer Zeit zu übergroßer Macht.
Wie ein Abenteuer zu belohnen ist und wie schnell der Fortschritt der Gruppe vorangehen soll, liegt aber im Wesentlichen natürlich im Ermessen des Spielleiters.

Diebin

Fertigkeiten: Heimlichkeit (Stufe 2), Wahrnehmung (Stufe 1) Klettern (Stufe1)

Ausrüstung: Dietriche, Messer, Kapuze/Maske, Beutesack

Schon immer warst du eine Herumtreiberin. Hast dich lieber geprügelt als in der Stube zu lernen, bist durch Hinterhöfe und dunkle Gassen geschlichen, hast die ungeschriebenen Gesetze der Straße gelernt. Und diese Zahnlücke da erinnert dich immer wieder daran, dass du kämpfen musst, schneller und stärker sein musst als die anderen. Dass du mittlerweile einen Beruf daraus gemacht hast, wurde dir erst langsam bewusst, aber für einen gut bürgerlichen Lebensweg ist es zu spät, dafür hast du schon zu viel gesehen.

Geisterseherin

Fertigkeiten: Lesen und Schreiben (Stufe 2), Wahrnehmung (Stufe 2), Handwerk (Stufe 1)

Ausrüstung: Schreibzeug, Kreide und Farben, Talismane, Figuren, Steine, Schnitzereien in beliebiger Anzahl

Die Geisterseherin lebt nah an der Grenze zum Wahnsinn. Sie kann die Stimmen der ruhelosen Toten hören und Boten des Totenreichs erkennen. Sie ist in der Lage, Talismane herzustellen, die Schutz vor bösartigen Geistern bieten.
Vielleicht ist sie aber auch nur ein Scharlatan und gibt lediglich vor, all diese Dinge zu können.


Ich bin Lia. Während eines Krieges aufzuwachsen ist schlimm. Das hat mir meine Großmutter immer wieder erzählt. Doch in Zeiten wie diesen aufzuwachsen, ist auch nicht gerade einfach. Wir leben zwar nicht im Krieg, doch die ständige Bedrohung, die über allem liegt, macht allen Angst. Auch mir, ich kann sie spüren. Nicht nur meine eigene, nein, die Angst aller Menschen. Das ist das Erbe meiner Familie, meine Großmutter wie auch meine Mutter hatten dieselbe Gabe. Wenn ich zum Markt gehe, ist es für mich eine Tortur. Ich wäre am Liebsten immer allein. Aber wenn ich allein bin, fehlt mir wiederum die Nähe anderer. So führe ich ein einsames Leben, denn die Ströme der Emotionen anderer kann ich nicht ertragen. Es ist ja nicht nur die Angst, die ich spüre. Vor dem Ozean, vor den Meermenschen, vor allem was mit dem Wasser zu tun hat. Auch alltägliches spüre ich, Bitterkeit, Schmerz, Rachlust genauso wie Freude, Liebe und Lust. Doch die Freude eines Fremden zu spüren und nichts damit zu tun zu haben, schmeckt schal.
Ich habe einige Zeit bei den Männern und Frauen verbracht, die sich unter der Stadt um das Wasser kümmern. Arme, verzweifelte Seelen, die dort die Arbeit verrichten, zu der kaum jemand freiwillig antreten würde. Immer und überall von Wasser umgeben zu sein – grauenhaft.
Eine Zeitlang gefiel es mir dort, eine gewisse Ruhe lag in den Gefühlen der Menschen unter der Stadt, so widersinnig es auch scheinen mag. Nur den Ort, den konnte ich nicht länger ertragen. So zog ich aus der Stadt fort und suche einen Ort, an dem ich leben könnte. Ich habe ihn bisher noch nicht gefunden, doch ich gebe nicht auf. Das ist auch etwas, was ich von meiner Großmutter gelernt habe.
Sie war eine weise Frau.

Lia ist keine typische Geisterseherin, sie ist eher so etwas wie eine Empathin. Die Wissenschaft der Astralen Ebenen ist eben selten genau. Spieltechnisch bedeutet das: Wer eine Geisterseherin spielen möchte, sollte mit dem Spielleiter abklären, welche Fähigkeiten sie besitzt oder entdecken kann. Oder, wenn gewünscht, kann der Spielleiter sie natürlich auch mit dem Können überraschen, über das sie verfügt – insbesondere, wenn sie noch am Anfang ihrer Karriere steht.
Oder, auch interessant, die Spielfigur ist schlicht und einfach ein Scharlatan und lügt und betrügt sich durch den Tag.

Priester/Akolyth der Bruderschaft vom Goldenen See

Fertigkeiten: Lesen und Schreiben (Stufe 2), Diplomatie (Stufe 1)

Ausrüstung: Kutte, Gebetsbuch, Schreibzeug, Filterschale zur Reinigung und Segnung von Wasser

Ich bin Mahar, Wächter eines Tempels des Goldenen Sees. Zumindest ist es das, was ich einmal werden möchte. Momentan verbringe ich meine Zeit weniger damit, in der Kapelle zu beten, als damit, die Abfälle an die Schweine zu verfüttern oder den in Läuterungshaft sitzenden ihr Essen zu bringen. Das mache ich natürlich nicht alleine, die Wachen sind immer dabei. Aber durch die Kälte von der Küche bis hinauf in den Turm zu laufen, das bleibt allein mir überlassen. Ich bin mittlerweile schon ziemlich schnell dabei geworden, im Laufen macht mir hier keiner mehr was vor. Dieses Talent habe ich schon früh gelernt zu nutzen, als ich noch daheim lebte und meinem Vater entkommen musste, wenn er des Nachts an mein Bett trat, ich seine Gyls-Fahne roch und er versuchte, mich zu verprügeln. Ich sage »versuchte«, weil er meist so betrunken war, dass es ihm kaum noch gelang, auf den Beinen zu stehen, geschweige denn, Schläge zu verteilen. Manchmal musste ich eben fliehen, da lief ich dann durch die Gassen des Wasserviertels, wich den nächtlichen düsteren Gesellen aus, die die Straßen bevölkerten, und versuchte, unbemerkt in den Schatten zu verschwinden. Wobei ich die Menschen in der Stadt eigentlich kaum fürchtete, schlimmer als mein Vater konnten sie nicht sein. Aber ich schweife ab, ich bin einfach zu geschwätzig. Das sagen auch meine Ausbilder und mein Mundwerk hat mir schon so manche Strafe eingebracht.
Als ich Ammin traf, war ich schon fast so weit gewesen, mir eine richtige Arbeit zu suchen. Aber nur fast. Er erzählte mir von den Priestern des Goldenen Sees, die den Regen und die Flüsse segneten, so dass die Menschen ungefährdet von ihnen trinken konnten. Man sah die Priester nur selten in Kath, aber ich war sofort gefesselt von Ammins Worten. Eine faszinierende Welt tat sich auf, seine Erzählungen über die Türme der Tempel, die hohen Hallen und weiten Gänge, Lesesäle und endlose Keller ließen mich nicht mehr los. Wenn man in den trostlosen Gassen von Kath aufgewachsen ist wie ich, immer viel zu nah am Ozean, immer umgeben von Dreck und dem Qualm aus den Erzhütten, dann ist man leicht zu begeistern. So ging ich also mit Ammin und wurde im Tempel aufgenommen. Alle meine Besitztümer musste ich abgeben, wobei das nun wirklich nichts war, was der Rede wert gewesen wäre. Alles, was ich in Zukunft in Besitz bringen würde, würde zugleich dem Orden gehören. Dann begann das Lernen. Zwar verbrachte ich die meiste Zeit mit Botengängen und einfachen Arbeiten, und tue es noch, aber daneben erhielt ich Unterricht im Lesen und Schreiben ebenso wie über die Geschichte unserer Welt, in der Kunde über die Natur und das Wesen des Wassers.
Ich lerne schnell und bald werde ich weit genug sein, um meinen Weg zum Priester des Goldenen Sees anzutreten. Doch jetzt muss ich mich beeilen, die Pflicht ruft!

Knappe der Bruderschaft vom Goldenen See

Fertigkeiten Knappe: Nahkampf (Stufe 1), Fernkampf (Stufe 1)

Ausrüstung: Schwert, Schreibzeug, Filterschale zur Reinigung und Segnung von Wasser

Ich habe es geschafft, in die Akademie aufgenommen zu werden! Das ist der größte Tag meines Lebens. Immer wollte ich einer der mächtigen Paladine werden, die mit ihren goldenen Rüstungen das Reich sichern. Und jetzt bin ich tatsächlich auf dem Weg dorthin. Immer schon habe ich es allen gezeigt, mir nichts gefallen lassen. Wo ich war, flogen die Fäuste, weil ich es nicht leiden kann, wenn jemand Unsinn erzählt. Ich kenne mich aus, habe viel von meinem großen Bruder gelernt! Leider ist er nicht mehr bei uns, er wurde von einem Meermenschen verschleppt und getötet. Doch, das stimmt, so war es! Jeder, der was anderes sagt, lügt! Aber dieser Verlust macht mich nur noch stärker, ich weiß besser als alle anderen, wie wichtig der Kampf gegen die Monster aus dem Ozean ist!

Paladin der Bruderschaft vom Goldenen See

Fertigkeiten: Lesen und Schreiben (Stufe 1), Diplomatie (Stufe 1), Nahkampf (Stufe 2), Fernkampf (Stufe 2)

Ausrüstung: Goldene Rüstung (Brustpanzer +2, Armschienen +1, Beinschienen +1), goldener Helm (+2), gutes Schwert (2W6+2 Schaden), roter Umhang, Filterschale zur Reinigung und Segnung von Wasser

Der Paladin ist ein erfahrener Kämpfer, der sich auch in den Ränkespielen der Bruderschaft gut auskennt. Will man mit einer ausgeglichenen Gruppe beginnen, sollte hier ggf. besser ein Knappe der Bruderschaft verwendet werden.

Variante: Verstoßener/ehemaliger Paladin

Es ist enorm schwer, all den Gesetzen und Vorschriften der Bruderschaft gerecht zu werden. Viele sind schon daran gescheitert, haben den Weg zum Paladin erst gar nicht vollendet oder sind später, als sie bereits die ehrenvolle Rüstung trugen, vom rechten Pfad abgekommen.
Solchen gefallenen Paladinen wird ein Weg geboten, ihre Seele wieder reinzuwaschen und sich erneut den Zielen der Bruderschaft zu verschreiben: Ihre Rüstung wird stumpf geschliffen und geschwärzt mit Kohle und Teer. Der Träger hat dafür zu sorgen, dass diese Schwärzung bestehen bleibt.
Ein derart entstellter Paladin zieht fortan durch die Welt und tut Gutes, im Sinne der Bruderschaft. Seine Taten sollen für ihn sprechen, man soll seinen Namen in Ehrfurcht und Dankbarkeit flüstern. Hat ein Paladin diesen Pfad lange genug beschritten und trägt sein Name einen Ruf, der der Bruderschaft würdig ist, so kann er wieder in ihre Reihen aufgenommen werden.

Arenakämpfer

Fertigkeiten: Nahkampf (Stufe 3), Werfen (Stufe 1), Flirten (Stufe 1)

Ausrüstung: bizarre Waffe (2W6 +1 Schaden), Krug mit Wein

Du haust anderen auf die Fresse. Für Geld. Und Ruhm. Zumindest diese Art Ruhm, die es in der Arena zu ernten gibt. Besoffenes Geschrei, Jubel und Hass, die oft kaum voneinander zu unterscheiden sind. Dein Oheim sorgt dafür, dass du immer genug zu essen hast und schickt manchmal ein, zwei Huren vorbei, mit denen du dich vergnügen darfst. Dass du lieber mal einen Kerl hättest, darf niemand wissen. Umso brutaler schlägst du zu, wenn du am nächsten Tag einem Unbekannten gegenüberstehst, der hasserfüllt auf dich zustürmt. Den du womöglich, in einer anderen Welt, attraktiv fändest.
Das Gold, das dein Oheim dir lässt, verprasst du mit vollen Händen. Du bist so gut im Pfeilewerfen und Steine klicken, dass du dir damit ein zweites Leben finanzieren könntest. Leider hat das aber auch zur Folge, dass du in den meisten Kneipen nicht mehr gern gesehen bist.
Also widmest du dich deinen eigentlichen Leidenschaften in der Arena: Jubel und Hass.

Seelenkrieger

Diese Charakterklasse ist sehr mächtig und sollte nur von erfahrenen Spielern gewählt werden. Es ist wichtig, die Vor- und Nachteile auszuspielen. Seelenkrieger sind sehr selten, werden entweder mit großer Ehrfurcht oder mit brennendem Hass betrachtet.

Fertigkeiten: Handwaffen (Stufe 3), Fernwaffen (Stufe 2), Diplomatie (Stufe 1).

Ausrüstung: Große Handwaffe wie eine Axt oder ein Schwert (3W6 Schaden)

Der Seelenkrieger unterliegt der Bedingung, dass er nach jedem Kampf 1W6 würfeln muss. Das Ergebnis gibt die Anzahl von Tagen an, nach denen sein Blutdurst wieder erwacht und er eine neue Auseinandersetzung sucht.

Wenn er im Kampf stirbt, erwacht er nach 1W20 Minuten wieder zum Leben, seine Verletzungen regenerieren sich, er erhält seine gesamten Lebenspunkte wieder. Er verliert dabei eine der ihm innewohnenden Seelen. Sein Charakter verändert sich wahrscheinlich, da eine neue Seele in den Vordergrund seiner Persönlichkeit rückt.

Im Körper des Seelenkriegers sind zahllose Seelen eingefasst, aus denen er seine immer wiederkehrende Unsterblichkeit schöpft.
Wenn ihr das wirklich ausspielen möchtet, nehmt alle W20, die ihr finden könnt, und würfelt aus, wieviele Seelen noch im Körper des mächtigen Kriegers verblieben sind.

»Ein Auge gelb, das andere Grün. Heute friedfertig, morgen ein Wirbelwind aus Blut und Stahl. Heute schreibt er ein Gedicht, morgen schön tötet er einen König. Heute ein Schmetterling, morgen ein unaufhaltsamer …«
»Ich glaube, wir haben es verstanden!«
»Seid ihr sicher? Erzählte ich schon von der Unberechenbarkeit, die nur ein Wesen an den Tag legen kann, das hunderte von anderen in sich trägt? Tote, die aber nicht tot sind. Ihre Essenz ist quicklebendig und verleiht dem Seelenkrieger seine Kraft. Aber so wie ihr ein Essen mit einem Dutzend wahllos zusammengesuchter Gewürze ruinieren würdet, so ist auch das Wesen eines von ihnen verdorben. Eine Ansammlung von widersprüchlichen Emotionen, Wünschen, Zielen. Kein Wunder, dass sie zu nichts anderem als endloser Gewalt in der Lage sind.«
»Aber sagtest du nicht, sie haben auch andere Phasen. Von Gedichte schreiben war die Rede …«
»Ja, ja. Das ist doch nur die Vorbereitung auf das nächste Blutbad. Nichts anderes können sie, wie Kampfmaschinen, die von den Mönchen, aus deren Händen sie geschaffen sind, über das Land gerollt werden. Keinen eigenen Willen haben sie, folgen nur ihren Instinkten, wie Tiere.«
»Da geht jetzt aber so einiges durcheinander bei deiner Schilderung.«
»Ja? Ist das so? Dann habe ich den Kern des Daseins eines Seelenkriegers ja treffend beschrieben.«